Die Trennung der realen Welt von der Modellwelt der Zentralbanken wird immer deutlicher. Während man im Elfenbeinturm munter mit Modellen spielt, kommt die Realwirtschaft nicht auf die Beine. Die Theoretiker stört dies nicht, sie tun weiterhin „whatever it takes“. Bringen wird es den meisten nichts…

Der von Zentralbänkern gern bemühte Satz „der Transmissionsmechanismus funktioniert nicht“ gaukelt dem Laien vor, es gäbe komplexe technische Ursachen für die Nutzlosigkeit des EZB-Aktionismus. Diese Komplexität machte es den Entscheidern unmöglich, etwaige Schwierigkeiten vorherzusehen. Man begegnet dem Problem nun mit dem immer gleichen Mittel: Wenn das vermeintliche Medikament nichts bringt, dann nehme mehr davon. Wer mit der Unterhose im winterlichen Regen also eine Erkältung bekommt, der hat vermutlich einfach noch nicht genug Kleidung abgelegt. Eine bemerkenswerte Herangehensweise.

Die Ursachen der wirtschaftlichen Misere sind vielfältig und liegen in den verschiedenen Ländern Europas in unterschiedlicher Ausprägung vor. Vieles lässt sich aber auf einfache Punkte herunterbrechen. Im Kern stehen Überkapazitäten. Diese begünstigen naturgemäß keine Ausweitung der Investitionen, das gilt für die Bauwirtschaft ebenso wie für andere Wirtschaftszweige. Dazu gesellt sich ein bestenfalls stagnierendes Realeinkommen der Bürger bei ambitionierter Verschuldung der öffentlichen Hand und breiter Bevölkerungsschichten.

Diese Probleme lassen sich kaum mit einem eher symbolischen Herumspielen an der Zinskurve ändern. Zum einen stellt die Veränderung der Kurve schon jetzt nicht nur Versicherungen und Pensionskassen vor ernstzunehmende Probleme. Andererseits werden BASF und Co vermutlich nicht zehn neue Werke bauen, nur weil die Finanzierung noch 20 Basispunkte günstiger geworden ist. Nun die Bevölkerung dazu zu bewegen, sich noch ein paar Autos oder auch Telefone mehr auf Pump zu kaufen sieht schon sehr nach finalem Endkampf der Einfallslosigkeit aus. Besonders nachhaltig ist die Finanzierung nicht produktiver Assets mit Schulden jedenfalls nicht.



Natürlich folgt seitens der EZB und einiger Politiker der bekannte Einwand, auch der Euro sei „zu hoch“, daher müsse man auch an dieser Front “whatever it takes” tun. Die Währung hemme den Export vieler europäischer Länder. Abgesehen davon, was man generell von einer absichtlichen Währungsabschwächung halten mag, wie ein sinkender Euro die relativen Probleme innerhalb eines Europas der Einheitswährung lösen soll bleibt das Geheimnis der Großplaner.

Der Blick auf die Handelsbilanzsalden Frankreichs und Deutschlands legt die Vermutung nahe, dass es abseits der Währung noch die eine oder andere Determinante eines erfolgreichen Exports gibt.

Man darf allen verkündeten Absichten zum Trotz als Zwischenstand der letzten Jahre festhalten: Es wurden keine strukturellen Probleme in Europa gelöst, viele wurden nicht einmal angegangen. Wie die Eurozone mit den beiden größten Teilnehmern Frankeich und Deutschland und deren komplett unterschiedlicher Ausrichtung funktionieren soll, war, ist und bleibt unklar. Allein mit dem bemitleidenswerten Bettelruf „Deutschland muss zahlen“ mag mancher vielleicht politisch punkte. Ökonomisch von der Stelle kommen wird man so nicht. Auch Deutschland wird wie am Ende jedes Zyklus wirtschaftliche Probleme bekommen. der Exporthebel wirkt bekanntlich in beide Richtungen, so dass selbstverschuldete Schwierigkeiten (Russland) und sonstige Makrotrends (Abschwächung in China und anderswo) tiefe Spuren in der Profitabilität der Unternehmen und im Steuersäckel hinterlassen werden. Von daher wird man sehen, wieviel derjenige der alles zahlen soll, überhaupt zahlen kann, falls er überhaupt will.

Der Bankensektor ist nicht weniger unaufgeräumt als zu Beginn der Krise. Die Emission von zig Millarden Euro an CoCo Bonds, sprich Pflichtwandelanleihen, hat die regulatorischen Kapitalquoten zwar erhöht. Von einer ausreichenden Kapitalausstattung mag man allerdings nicht sprechen. Operativ sind viele Banken zudem in geradezu jämmerlicher Verfassung, ein Trend, der sich durch die Machtübernahme der so genannten Risikomanagemen-Abteilungen so bald nicht ändern wird. Dazu gesellen sich bekannte Altlasten und schwer quantifizierbare Rechtsrisiken. Komplexität und Intransparenz hat ihren Preis.

Das Gejammer über die „Austerität“ ist vollkommen absurd und rein theoretischer Natur. Wer viel vom Sparen spricht aber immer mehr ausgibt redet zwar viel vom Sparen, spart aber nicht. Dennoch breitet sich vor dem Hintergrund der Austeritätsdebatte die politische und gesellschaftliche Dimension der Krise langsam aber sicher über Europa aus. Die kommenden Wahlen werden noch stärker als es schon bei den vorangegangenen der Fall war zu einer völlig veränderten politischen Situation führen.

Die Erfolge aber misst zumindest die EZB oft nur an den Finanzmärkten. Die Renditen fallen, also hat man alles richtig gemacht. Whatever it takes, koste es was es wolle. Auch die Fed gibt sich ja, wie die Irrungen und Wirrungen von Mr. Bullard zeigen, der intraday-Steuerung der Märkte hin. Dazu dient eine groteske Anhäufung gegensätzlicher Aussagen in immer kürzeren Abständen. Möglicherweise gibt es ja auch bei der Fed ein optionsbasiertes Weihnachtsgeld. Erfolgversprechend ist dies alles nicht, es sei denn man misst den Erfolg im Anstieg einiger Aktienindizes. Diesbezüglich ist die FED vermutlich weltweit führend, wenn auch die Steigerungen lediglich aus einer Verteuerung der Papiere herrühren, für die man den etwas beschönigenden Begriff „P/E-Expansion“ geschaffen hat. Man zahlt also mehr für jeden verdienten Euro, schon eine tolle Sache.

In Europa klappt dies nicht ganz so gut. Das ist ein Grund, warum Langfristanleger und solche, die es werden sollen, stets nur ausgewählte Aktienindizes zu Gesicht bekommen. Während man in den Medien ständig den DAX hochhält und sich die 100-jährigen Durchschnittsrenditen des Aktiensparens schönrechnet, verlieren sich die Geschichten des Misserfolgs im Sand des Mediengetriebes. Die folgende Grafik zeigt, wohin anderswo die Reise ging.

In Portugal liegt man knapp 60% unter dem Stand des Jahres 2000, in Griechenland sind es sogar 82%. Da retten auch Dividenden nichts mehr. Immerhin weiß man bei der EZB natürlich Rat: Man muss einfach noch mehr Geld in die Hand nehmen und versuchen alles teurer zu machen. Wie die gleichen Menschen derartige Planungen für das Handeln intelligenter und planvoller Wesen halten können, gleichzeitig aber über Alchimisten lachen, bleibt unklar. Mittlerweile dürfte es aber auch im Elfenbeinturm nicht mehr um die Realwirtschaft gehen. Vielmehr versucht man wohl alles so lange am Laufen zu halten, bis man etwas anderes gefunden hat, das man für das finale Scheitern verantwortlich machen kann. Bei den anstehenden Wahlen wird man sicher fündig werden …

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